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Schon im vierten Jahr in Folge kamen vom 14.-15. Februar 2019 Akteure der Jugend(sozial)arbeit in Brandenburg im Rahmen einer Tagung in Schloß Trebnitz zusammen. Wir können spätestens ab diesem Jahr also von einer Tradition reden!

Diesmal lag der Schwerpunkt auf dem Thema Jugendbeteiligung – nicht zuletzt auf Grund der erfreulichen Änderung der Kommunalverfassung im Land Brandenburg. Inhalte der vorangegangenen Tagung fanden damit eine Fortsetzung.

Interessenvertretung auf Kommunaler Ebene – Fokus Jugendhilfeausschüsse

Sebastian Müller vom Fachverband Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit Brandenburg e. V. rief in seinem Beitrag die Jugendhilfeausschüsse (JHA) als wichtiges kommunales Gremium in Erinnerung. Besonders betonte er ihre zentrale Aufgabe der bedarfsorientierten Jugendhilfeplanung. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass Belange junger Menschen überhaupt wieder mehr in den Ausschüssen berücksichtigt würden. Dafür sei ein besserer Transfer der Interessen und Problemlagen von Kindern und Jugendlichen in die Ausschüsse nötig.

Präsentation Sebastian Müller 

In Austauschrunden zum Stand in den Landkreisen reflektierten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen mit der Arbeit von Jugendhilfeausschüssen und Jugendbeteiligung. Zehn Landkreise aus Brandenburg waren vertreten, aber nur eine Handvoll der Anwesenden verfügte über Einblicke durch eigene Mitwirkung. Durch die gemeinsame Auseinandersetzung konnte die Bekanntheit des Gremiums und die Möglichkeit der Einflussnahme, die es bietet, gesteigert werden.

Fotodokumentation aus den Landkreisrunden

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Herausforderungen von Kinder- und Jugendbeteiligung

Viele wichtige Impulse für ein besseres Verständnis der aktuellen Herausforderungen von Kinder- und Jugendbeteiligung kamen von Prof. Dr. Dietmar Sturzbecher vom Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung e. V. an der Universität Potsdam. Grundlage seiner Ausführungen über den Wandel von Jugend und Partizipation stellte unter anderem die Zeitreihenstudie „Jugend in Brandenburg“ dar, mit der seit Anfang der 1990er Jahre Veränderungen ausgewählter Lebensbedingungen und Einstellungen brandenburgischer Jugendlicher erfasst werden, das letzte Mal 2017.

Kurzfassung Studie „Jugend in Brandenburg 2017"

Festzustellen seien insgesamt drei „gesellschaftliche Generaltrends“. Viel stärker als früher würden Kinder und Jugendliche heute sowohl in Freiheit als auch in Vielfalt und mit digitalen Medien aufwachsen, drei (immer noch) neue Situationen, die man positiv bewerten kann, die aber auch überfordern können.

Das Verhältnis zwischen Erziehungspersonen und Kindern sei heute bspw. eher vom Verhandeln und Beteiligen gekennzeichnet als von Befehlen und Unterordnung. Es erfordere dadurch aber gleichzeitig einen höheren zeitlichen Aufwand für Aushandlungsprozesse, hohe sozio-kognitive und kommunikative Fähigkeiten beim Argumentieren, mehr Geduld und Selbstbeherrschung sowie das Aushalten von Kompromissen, Unsicherheiten und Stress.

Präsentation Prof. Dr. Dietmar Sturzbecher

Tabelle Freizeiteinrichtungen

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Vier Workshops boten den Teilnehmenden der Fachtagung die Möglichkeit, Methoden der Beteiligung ganz konkret zu erproben:

 Beteiligung bei Wahlen:

Annekatrin Friedrich vom Landesjugendring Brandenburg e. V. und Steffen Göths vom Arbeitskreis der Stadt- und Kreisjugendringe Brandenburg probierten mit den Teilnehmenden des Workshops die Methode der Sozialraumbegehung aus, die eingesetzt werden kann, um einen Bezug zwischen Politik und eigener Lebenswelt herzustellen. Darüber hinaus wurden unter anderem der digitale Kommunal-Wahl-Check und die U18-Wahl als Instrumente im Vorfeld der Kommunal- und Europawahlen Ende Mai 2019 sowie die analoge Wahl-O-Maten-Tour im Zusammenhang mit den Landtagswahlen im Spätsommer dieses Jahres vorgestellt.

Präsentation Annekatrin Friedrich und Steffen Göths

Fotodokumentation WS Beteiligung bei Wahlen

 Beteiligung an Schule:

Bastian Gersöne und Sven Torkler von mehr als lernen e. V. setzten sich in ihrem Workshop damit auseinander, wie Beteiligung an Schule gefördert werden kann und welche Voraussetzungen dafür notwendig sind. Auch das Schulgesetz war Thema. Methodisch erprobt wurde eine Mini-Zukunftswerkstatt mit den drei klassischen Phasen. Ein Projektmanagement-Input gab konkrete Handlungsschritte mit auf den Weg. Der Workshop wurde von zwei Vertreter_innen des Landesschülerrates Brandenburg begleitet und durch ihre Perspektiven bereichert.

Fotodokumentation WS Beteiligung an Schule

 Digitale Partizipation:

Frank Segert und Matthias Haist vom Projekt jugend.beteiligen.jetzt der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung führten ihren Workshop als Mini-Barcamp durch, ein partizipatives Format, bei dem konkrete Inhalte zu einem Thema – an jenem Tag: digitale Jugendbeteiligung – erst im Rahmen der Veranstaltung gemeinsam entwickelt (Sessionplanung) und dann auch selbst gestaltet werden. Verschiedene digitale Tools wurden im Zuge dessen vorgestellt und an den eigenen mitgebrachten Geräten ausprobiert, bspw. die Dokumentation mittels Etherpad. Aber z. B. auch mit Um- und Abfragetools wurde sich beschäftigt sowie darüber hinaus mit rechtlichen Fragen.

Präsentation Frank Segert & Matthias Haist

 Beteiligung durch Theater:

Im Workshop von Carolin Schönwald vom Chance e. V. gab es neben einer theoretischen Einführung in die Theaterpädagogik, ihre Methodik und Formate ebenfalls die Möglichkeit, sich ganz praktisch auszuprobieren. Unter anderem wurden Szenen mit Zeitungstheater erarbeitet, die zur Freude aller auch im Plenum zur Vorführung gelangten.

Präsentation Carolin Schönwald

 

Abendprogramm: für ein solidarisches und weltoffenes Brandenburg

Anna Spangenberg vom Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit stellte die Kampagnenpläne des Aktionsbündnisses im Wahljahr 2019 vor und kam darüber mit dem Publikum ins Gespräch. Über die Wichtigkeit, Position zu beziehen, über die Gefahr der Normalisierung rechter Diskurse, über den Umgang mit Rechtspopulisten bei Veranstaltungen und in Gremien, über Möglichkeiten und Grenzen des Dialogs und über ganz persönliche Erfahrungen.

Am 6. April startet die Kampagne Wir lassen uns nicht hetzen im Rahmen des 53. Plenums des Aktionsbündnisses in Potsdam. Im Sommer gibt es zudem eine weitere Auflage der Kampagne Schöner leben ohne Nazis, wie immer mit besonderem Rahmenprogramm.

Flyer Kampagnenauftakt Wir lassen uns nicht hetzen

 

Paragraph 18a der Brandenburger Kommunalverfassung: Rückblick, Stand, Ausblick

Am 03. Juli 2018 trat das erste Gesetz zur Änderung der Brandenburger Kommunalverfassung in Kraft: mit Paragraph 18a verfügt Brandenburg über die derzeit weitreichendste gesetzliche Regelung zur Mitwirkung und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene.

Schon länger finden sich solche auch in anderen Bundesländern. Schleswig-Holstein z. B. gilt als vorbildhaft, was die Entwicklung einer Beteiligungslandschaft in den vergangenen 30 Jahren betrifft. Sebastian Schiller von der Fachstelle Kinder- und Jugendbeteiligung des Deutschen Kinderhilfswerkes gab hierzu einen Überblick und ging der Frage nach, welche hilfreichen Erkenntnisse sich für Brandenburg aus der langjährigen Erfahrung Schleswig-Holsteins ergeben.

Präsentation Sebastian Schiller

Links zu Materialien aus Schleswig-Holstein

Dominik Ringler vom Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg widmete sich in seinem Beitrag ausführlich den Entwicklungen um Paragraph 18a in Brandenburg. Er informierte über den Hintergrund und das Zustandekommen und ging auf Fragen des rechtlichen Verständnisses ein. Darüber hinaus formulierte er sieben Thesen für eine gelingende Umsetzung und damit verbundene Kernherausforderungen.

Präsentation Dominik Ringler

Übersicht Umsetzungsstand §18a

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Die Erfahrungen der Teilnehmenden zu Stand und Hürden bei der Umsetzung von 18a in ihren Kommunen konnten in vier Austauschrunden gemeinsam vertieft werden. Impulse aus den Gruppen wurden im Anschluss zur Diskussion ins Podium gegeben.

Vertreter_innen aus Politik und Verwaltung sowie weitere Experten waren der Einladung zum Gespräch gefolgt: Kristy Augustin, MdL, Sprecher_in für Familie, Frauen und Jugend sowie Jugendpolitik (CDU), Friedemann J. Hanke, Landkreis Märkisch-Oderland, 1. Beigeordneter, Steffen Göths, Arbeitskreis der Stadt- und Kreisjugendringe Brandenburg, Dr. Udo Rinas, Ministerium für Jugend, Bildung und Sport des Landes Brandenburg und Dominik Ringler, Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg.

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Zentral erwies sich unter anderem die Frage der Auftragsklärung im Zusammenhang mit der Umsetzung von Paragraph 18a. Wer ist überhaupt wofür zuständig? Ebenso der Wunsch nach Ansprechpersonen, kontinuierlichem Informationsfluss und Austausch, und zwar bestenfalls über zusätzliche Mittel und Stellen, nicht als zusätzliche Aufgaben. Seitens der Politik gab es dazu das klare Signal, Bedarfe, die mit der Schaffung des Gesetzes gerade neu entstehen, zu formulieren, damit sie in zukünftigen Haushalten berücksichtigt werden können. Gleichzeitig wurde deutlich, dass ein erfolgreiches Vorankommen bei der Umsetzung von Paragraph 18a nur durch die Kooperation von Akteuren, Institutionen und Fachkenntnis realistisch ist. Sich hier einbringen zu können, wertet den Bereich der J(S)A klar auf und stärkt seine Bedeutung.

Die Veranstaltung wurde wie schon in den Vorjahren vom Zentrum für Partizipation und Mediation im ländlichen Raum (einer Kooperation des Berlin-Brandenburgische Landjugend e. V. und seiner Bildungsstätte Schloß Trebnitz) und dem Kreis-Kinder- und Jugendring Märkisch-Oderland e.V. (KKJR MOL) organisiert sowie von Christian Raschke, Vielfalt gestalten, moderiert.

 

Text: Susen Hollmig
Fotos: Svea Landschoof